Tarifkämpfe unter dem Diktat von Schuldenbremse und Wettbewerbsfähigkeit

Schon monatelang vor der Bundestagswahl standen die Beschäftigten bei Amazon mit ihrer Gewerkschaft im Kampf für einen Tarifvertrag und Lohnerhöhungen. Sie prallen zusammen mit der Verweigerung von Verhandlungen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit durch die Unternehmensleitung.

Monatelang vor der Bundestagswahl kämpften die angestellten Lehrer in Berlin mit ihrer Gewerkschaft für einen Tarifvertrag, der ihnen im Namen des rigiden Sparzwangs durch die Schuldenbremse vom Großen Koalitions-Senat unter Führung der SPD verweigert wird.

Die SPD-Führung hat den Gang in die Große Koalition unter Merkel mit dem Versprechen von Korrekturen an der Agenda-Politik und eines Politikwechsels zu rechtfertigen versucht.

Tatsächlich sind es die zwei in den Koalitionsvertrag eingeschriebenen Grundgesetze, die Schuldenbremse und Wettbewerbsfähigkeit, die das Regierungsprogramm bestimmen. Und alle Bundesländer setzen – in der Respektierung dieser Prinzipien – die Politik des Kaputtsparens und der Deregulierung/Prekarisierung um und praktizieren sie eigenständig – wie auch schon vor der Bundestagswahl.

Eine wachsende Zahl von Beschäftigten sowohl aus dem öffentlichen Dienst wie in der Privatwirtschaft treten in den Kampf um Tarifverträge und geschützte Arbeitsverhältnisse, um sich aus der prekären Beschäftigung und von Armutslöhnen zu befreien.

Mit Beginn der Tarifrunde 2014 steigt täglich der Druck des Kapitals und der öffentlichen Arbeitgeber auf die Gewerkschaften, um sie zu verpflichten, die Zwänge von Schuldenbremse und Wettbewerbsfähigkeit als unausweichlich zu akzeptieren und bei den Forderungen entsprechende Mäßigung zu wahren oder „Kompensationen“ zuzustimmen – entgegen ihrem gewerkschaftlichen Auftrag, ihrer alleinigen Verpflichtung auf die Interessen und Forderungen der Kollegen.

Die 550.000 Beschäftigten der chemischen Industrie konnten mit einigen Aktionen ihrer Gewerkschaft IGBCE eine Lohnerhöhung von 3,7% erreichen. Doch im Sinne einer Kompensation hat die Gewerkschaftsführung einer Abweichungsklausel für Betriebe mit wirtschaftlichen Problemen und Verlusten zugestimmt und der Möglichkeit einer befristeten Kürzung der Einkommen um 10%. Und sie verzichtete auf die Durchsetzung der unbefristeten Übernahme der Auszubildenden. Viele Kollegen fragen, ob bei einer wirklichen gewerkschaftlichen Mobilisierung im Arbeitskampf nicht mehr drin gewesen wäre?

Die 2 Millionen Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes (Bund und Kommunen) gehen mit ihren Gewerkschaften für die Forderung nach mindestens 7%, einer kräftigen Reallohnerhöhung in die Tarifrunde. Im Namen des Gebots der „Haushalts- und Krisenkonsolidierung“ durch die Schuldenbremse weist Bundesinnenminister Thomas de Maizière diese Forderung zurück.

Und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) droht ihrerseits den Gewerkschaften mit einem „Mehr an Ausgliederung (aus dem Flächentarifvertrag) und Privatisierung, z.B. bei der Müllabfuhr und im Nahverkehr“.

Im Tarifkampf vor zwei Jahren konnten die Beschäftigten die von der VKA am härtesten bekämpfte Forderung nach Stärkung der unteren Lohngruppen nicht durchsetzen, weil die ver.di-Führung durch einen vorschnellen Abschluss die Streikbewegung beendete, was unter den Kollegen leidenschaftliche Diskussionen provoziert hat.

Sie haben ihre Kampfbereitschaft oft genug bewiesen und niemand kann an ihrer Fähigkeit zweifeln, mit ihrer gewerkschaftlich organisierten Kampfkraft das Diktat der Schuldenbremse durchbrechen und für alle Beschäftigten die geforderte Reallohnerhöhung erkämpfen zu können.

Kollegen bei der Deutschen Telekom haben gegen die Ankündigung des Unternehmens, 4–6.000 Arbeitsplätze zu vernichten, demonstriert. Das Unternehmen will mit dieser Drohung gegen die Forderung nach 5,5% mehr Lohn für die 97.000 Beschäftigten Lohnverzicht erpressen. ver.di bereitet sich auf einen Arbeitskampf vor. Ist es da nicht das absolute Recht der Gewerkschaft, mit allen Kollegen vereint den Arbeitskampf für die Erhöhung des Reallohns und die Verteidigung aller Arbeitsplätze zu organisieren?

Zeigt nicht die Erfahrung aus all diesen Kämpfen,

  • dass die vereinte Mobilisierung aller Kollegen durch ihre Gewerkschaft die organisierte Kampfkraft schaffen kann, die die Diktate der Sparpolitik/Schuldenbremse und Wettbewerbsfähigkeit/Deregulierung und Prekarisierung durchbrechen kann?
  • dass die Einheit der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen im Kampf für das Nein zur Fortsetzung der Agenda-Politik durch die Große Koalitionsregierung, alle Landesregierungen und bis in die Kommunen hinein dieser Zerstörungspolitik Einhalt gebieten und die Forderungen und Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften und die Demokratie verteidigen kann.

Diese Fragen werden auf der bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz am 15.2. im Zentrum stehen, auf der sich Gewerkschafter, Sozialdemokraten und politisch Engagierte versammeln, die den Widerstand und die Kämpfe vertreten

  • gegen die Privatisierung und das Kaputtsparen der kommunalen Daseinsvorsorge, von Krankenhäusern, Bildung, Nahverkehr…, unter dem Diktat der Schuldenbremse;
  • gegen die Flucht aus dem Flächentarifvertrag, die Ausweitung von Niedriglöhnen, prekärer Beschäftigung und gegen Arbeitsplatzvernichtung unter dem Gebot der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit.
  • der SPD-Mitglieder, die Nein gesagt haben zum Gang der SPD in die Große Koalition, weil „es in der Großen Koalition und mit Merkel keinen Politikwechsel geben kann“.

Carla Boulboullé


Nach Abschluss dieses Artikels wurde bekannt, dass SPD-Wirtschaftsminister Gabriel in seinem Jahreswirtschaftsbericht für die Tarifrunde zum Maßhalten aufruft. Die Lohnerhöhungen sollten an die Produktivitätssteigerung gebunden werden, weil sonst Arbeitsplätze gefährdet würden. Das ergibt einen Spielraum von ca. 2%: Damit setzt Gabriel eine politische Lohnleitlinie.


Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 315 vom 12. Februar 2014

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