Neue Ära – neue Regierung Scholz – Agenda 2.0 provoziert Massenwiderstand

Scholz hat seine Regierung charakterisiert als „neue Regierung, die eine neue Ära eröffnet“. Über die vom Kapital geforderten Maßnahmen zur Förderung einer „neuen Wettbewerbsfähigkeit“ der deutschen  Wirtschaft, sprich ihrer Rendite und Profite, haben wir in der vorherigen Ausgabe der „Sozialen Politik & Demokratie“ geschrieben: Scholz, einer der Hauptverantwortlichen schon für die Agenda 2010, will nun mit der neuen Agenda 2.0 den Angriff auf die noch erhaltenen historischen Errungenschaften des Sozialstaates organisieren.

Was neu ist an den Parteien dieser Ampelkoalition versteckt sich unter deren alten Namen. Nach dem Selbstmord – durch die Agenda-Politik – der traditionellen Arbeiterpartei SPD, mit ihrer Berufung auf die Interessen der Arbeiterschaft, lässt sich die neue SPD seit den Wahlen im September als Scholz-SPD charakterisieren. Sie lebt im Wesentlichen durch ihr Handeln in Regierungspositionen und -institutionen. Und zwar für eine durch und durch arbeiterfeindliche, sozial-zerstörerische und antidemokratische Politik, eben jene Agenda 2.0. Scholz missbraucht den Namen SPD, um die Stimmen der restlichen Wähler und Bevölkerungsteile zu ködern, die noch immer „eigentlich etwas anderes“ von der SPD erwarten. Er und die Scholz-Partei erhielten Millionen Stimmen von CDU-Wählern, die jene ausfallenden Stimmen von Teilen der ehemaligen Arbeiter-Stammwähler ersetzen mussten, von denen viele in den Niedriglohnbereich abgestürzt sind.

Die neuen Regierungs-Grünen müssen als Minister zum Teil die in der Regierung fehlende Rolle der CDU übernehmen und zugleich vorgeben, den ökologischen Bestrebungen der Jugend und von Fridays for Future, wie auch immer deformiert, zu entsprechen. Vergeblich – schon jetzt distanzieren sich diese scharf von dem Handeln und den Plänen der Grünen in der Regierung.

Die FDP, die einen anderen Teil unzufriedener CDU-Wähler gewinnen konnte, kann nun in dieser neuen Koalition die schlimmsten sozialzerstörerischen Forderungen des Kapitals vertreten und umsetzen. Scholz überlässt ihr einen Teil dieser „Drecksarbeit“, um sie mit Koalitionszwängen zu rechtfertigen.

Unter dem Druck der durch die Regierungspolitik kaum gehemmten fünften Corona-Welle Omikron sieht sich Scholz gezwungen, den angeblich Kampf dagegen zur Chefsache zu machen. Das gerät weniger zu einem Kampf als zu einer Leben gefährdenden Auslieferung der Gesellschaft an die Leiden der Pandemie.

Im Namen der Gemeinsamkeit von Volk und Regierung

Das erste Handeln des Regierungschefs: Gestützt auf gemeinsame Beschlüsse der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten der Länder, wurden die Einschränkungen demokratischer Grundfreiheiten verordnet, darunter die Beschneidung des Versammlungs- und Demonstrationsrechts, was schon die ersten Demonstrationsverbote und Ein-sätze mit Polizeigewalt bewirkt hat.

Nach dem Beispiel von Merkel ruft jetzt Scholz in fast täglichen Appellen zum Miteinander, zur Gemeinsamkeit von Volk und Regierung auf. Tatsächlich aber gibt es nur die Gemeinsamkeit der Gewerkschaftsführungen des DGB mit der arbeiter- und gewerkschaftsfeindlichen Politik dieser Regierung. Ihre Unterstützung rechtfertigen die DGB-Führungen damit, dass die von Scholz geführte Regierung „ihre“ Regierung und Scholz „ihr“ Kanzler sei. Sie geben betrügerisch vor, im Namen der  der Arbeiterschaft zu sprechen, während diese Arbeiterschaft der neuen Regierung ablehnend gegenübersteht und große Sektoren von ihr sich schon im Kampf und Demonstrationen gegen sie mobilisieren.

Während die neue Regierung schon wieder für hunderte Milliarden an Autoindustrie und Energiekonzerne sowie für Steuererleichterungen für das Kapital sorgt, verweigert sie die notwendigen Milliarden gegen die Pandemie, für die wirkliche Ausrüstung mit Schutzmitteln aller Art, sowie für die kaputtgesparten Krankenhäuser, Schulen und Universitäten, kurz: für mehr Personal, um den inzwischen schon todbringenden Personalnotstand zu überwinden.

Ihre Corona-Politik gefährdet Leben

Seit dem Sommer wurde die Bevölkerung mit Warnungen vor der fünften Welle eingeschüchtert. Jetzt aber gibt es immer wieder Engpässe beim Impfstoff und fehlen Tests, Impfzentren und Teststationen und das Personal dafür. Zudem treiben sie damit die Spaltung in der Gesellschaft voran und schüren die Wut jener Impf- und Testwilligen, die oft stundenlang Schlange stehen und warten müssen.

Scholz und sein Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) planen, der Bevölkerung eine gesetzliche Impfpflicht zu diktieren und verordnen eine permanente Testpflicht, mit Einschränkungen für Booster-Geimpfte, als Bedingung für das Recht auf Arbeit, Lohn und Lebensqualität. Sie verweigern die Finanzierung für die Testnachweise und wälzen die Kosten auf die Bevölkerung ab, was zu einer Profitquelle wird für Testhersteller und die sich vermehrenden privaten Teststationen. Zugleich werden damit Voraussetzungen geschaffen für betrügerische „Unternehmen“ aller Art.

Die Verweigerung kostenloser Tests für alle schließt Millionen Armuts- und Niedriglöhner, sowie Armutsrentner, vom Testen aus. Das ist keine fehlerhafte Regierungspolitik, sondern diese Politik zielt gegen die Ärmsten der Gesellschaft.

Als Provokateur gegen das arbeitende Volk empfiehlt Lauterbach – trotz der Gefahr der Ausweitung von Infektionen – die Kürzung der Quarantäne. Das ist seine Antwort auf die Personalnot in der sog. „kritischen Infrastruktur“, in den Krankenhäusern und unterbesetzten Test-Laboren, sowie auf den Druck der Unternehmerverbände, denen das Personal für das Funktionieren der Wirtschaft fehlt, für die Ausbeutung.

Den von der Scholz-Regierung angekündigten Pflegebonus streicht Lauterbach im Zuge einer weiteren Provokation kurzerhand für die Mehrheit der Pflegekräfte, die von Länder- und Bundesregierung mit einem Billigtarifvertrag abgespeist wurden und an der Armutslohngrenze festgehalten werden. „Irritierend“, kommentiert selbst das Handelsblatt, „wo der Staat doch sonst gerade so gar nicht aufs Geld schaut“ .

Scholz und Lauterbach predigen jetzt auch die Notwendigkeit und Pflicht, Jugendliche und Kinder zu impfen und steigern das Chaos, weil sie alle notwendigen Voraussetzungen für einen ernsthaften Gesundheitsschutz z.B. an den Schulen fehlen lassen. „Hilflose Lehrer, gereizte Eltern, Schüler in Not“, titelt der Tagesspiegel vom 14.1.22. Eine Schuldirektorin aus Berlin berichtet, dass sie in ihrem Büro immer häufiger „vollständig verzweifelte“ Lehrer*innen sieht. Und ein Schulleiter: „Das emotionale Elend, in dem Kinder, Lehrende und Eltern feststecken, können wir nicht heilen“. Die seit Jahrzehnten existierenden Defizite wie Personalnot und Baumängel habe Corona nur überdeutlich gezeigt und potenziert.

Das empörendste Beispiel für die  Leben gefährdende Corona-Politik der Regierung Scholz ist die alarmierende Zahl weiterer Schließungen von Kinderkliniken und Abteilungen an Krankenhäusern; Intensivbetten für Kinder und Kinderrettungsstellen werden wegen Personalnot und unzureichender Finanzierung (unter dem DRG-System rechnen sie sich nicht profitabel) geschlossen oder selbst in andere Regionen (z.B. von Berlin nach Brandenburg) ausgelagert. „Sparen“ auf Kosten des Lebens von Kindern: in Berlin wird jetzt im Rahmen des von Lauterbach geförderten Projekts „Gesundheitsstadt 2030“ die Einrichtung einer zentralen Kinderklinik als Gemeinschaftsprojekt von Charité und Vivantes geplant – mit dem Synergieeffekt, über weitere Klinikschließungen und Bettenabbau Kosten und Personal zu sparen.

Eine Erhebung der Volksmassen

150.000 besetzten in bundesweiten Demonstrationswellen am Jahresende 2021 die Straßen (Angaben der offiziellen Sicherheitsbehörden). Das Neue Jahr beginnt mit täglichen bundesweiten Demonstrationen, die bisher zwei Höhepunkte erreichten: am Montag, den 4.1., haben mehr als 100.000 Menschen bundesweit demonstriert; am 10.1. erreichte die Protestwelle 1046 Aktionen mit etwa 188.000 Teilnehmern (nach offiziellen Angaben des Bundesinnenministeriums).

Die Demos sind spontan (nicht von den Gewerkschaften organisiert) und zersplittert. Von den Teilnehmern sind Forderungen unterschiedlichster Art zu hören: Vorrangig richten sie sich gegen die Einschränkung der Grundrechte und Freiheiten, wie Impf- und Testpflicht, aber auch gegen den sozialen Absturz von Millionen, und z.B. gegen Lohndumping und die kräftige Zunahme der Kurzarbeit, welche die Beschäftigen mit Lohnverlust und der Plünderung der Sozialkassen bezahlen.

Diese bundesweiten Demonstrationswellen beginnen den Charakter einer Erhebung von Volksmassen anzunehmen. Sie erklären auch das Zögern von Scholz, das Impfpflichtgesetz durchzusetzen, obwohl er damit in Konflikt zur Wirtschaft gerät, die zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Impfpflicht fordert und Scholz sein Zögern vorwirft. (es geht um „Mehr als die Freiheit Einzelner“, Handelsblatt)

Im Osten, wo die Demos von besonderem Gewicht und entschlossenerem Charakter geprägt sind, steht die Bevölkerung seit der Wiedervereinigung misstrauisch ablehnend den Institutionen der bürgerlich- kapitalistischen Demokratie und ihrer fünf Parteien gegenüber. Mit ihren Demos knüpfen die Massen bewusst an die Montagsdemos gegen die SED-Bürokratie und nach der Vereinigung gegen die Entindustrialisierung des Landes an. Jetzt mobilisieren sie sich in tief wurzelndem Zorn gegen die zweite Welle der Liquidierung der als Ersatz für die Entindustrialisierung nach 1991 zugestandenen wenigen industriellen Produktionsstätten, sog. „Leuchttürmen“. Das zeigt sich an dem Beispiel der schleichenden Liquidierung des mit über 30 Milliarden gefütterten Braunkohlenabbaus in der Lausitz oder in den Verlagerungen und Stilllegungen von Produktionsstätten, wie des Windkraftanlagenbaus Vestas in Lauchhammer.

Ein Volkswiderstand gegen die Regierung und ihre Politik, den es nicht geben darf

Die Leitlinie der Regierung Scholz und aller Führungen der etablierten Agenda 2.0 -Parteien ist bestimmt von dem Willen, diesen gewaltigen Widerstand gegen ihre Politik zu verleugnen und als Proteste einer rechtsradikalen Minderheit zu diskreditieren, und  dagegen zur „Einheit aller Demokraten gegen rechts“ aufzurufen. Sie stützen sich auf die von allen Medien verbreiteten Hetz-Meldungen – angeführt vom Deutschen Journalisten-Verband, der sich auf Twitter über die „kleine radikale Minderheit der Impfgegner, Querdenker, Corona-Leugner, Medienhasser und Demokratiefeinde“ entrüstet -, um sie für ihre politischen Zwecken zu instrumentalisieren.

Impf-Verweigerer und Anti-Corona-Demonstranten werden als Sündenböcke beschimpft, welche die gesellschaftliche Mehrheit dem Wüten der Pandemie ausliefern. Das soll vor allem helfen, von der Verantwortung der Regierungspolitik für die Zerstörung der sozialen Infrastruktur und Gesundheitsversorgung, die die Ausweitung der Pandemie fördert, abzulenken. Scholz wird in seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag sehr deutlich: „Wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen“, „eine winzigen Minderheit der Hasserfüllten!“.

Doch sie können der Realität nicht entfliehen: Die neue Regierung unter Scholz wird zunehmend konfrontiert mit der Ausweitung eines härteren Widerstandes, mit Streik- und Demonstrationen, vor allem auch der arbeitenden Bevölkerung und Jugend, die durch den verschärften Angriff auf die erkämpften sozialstaatlichen Errungenschaften provoziert werden.

In den Politischen Arbeitskreisen – in Verbindung mit dieser Zeitung – sammeln sich politisch und gewerkschaftlich Engagierte der Arbeiterbewegung und diskutieren darüber, wie sie in die Demos eingreifen können, um beizutragen für die politische Zentralisierung des Kampfes gegen die Agenda 2.0 – Politik der Regierung Scholz.

cb/wu

 

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