Neue Milliardenflutung für die Unternehmen

Am 18. Mai traf sich die DGB-Führung mit den Vertretern der Wirtschaftsverbände erneut zum Gespräch mit Bundekanzlerin Merkel, an dem führende Bundesminister aller Parteien der Regierung der Großen Koalition teilnahmen. (Videokonferenz),

Inhalt des Gesprächs war vor allem die Ankündigung der Regierung, Anfang Juni ein Konjunkturpaket beschließen zu wollen. Auf einem früheren Spitzentreffen Anfang März war von Regierung, Kapital und Gewerkschaften in voller Übereinstimmung jene 1,2 Billionen „Bazooka“ für die Rettung des Kapitals vereinbart worden – und kaum ein Cent für die Arbeitnehmer.

Auf dem jetzigen Treffen beweist die Führungsspitze der Gewerkschaften erneut ihre volle Unterstützung für die Politik der Regierung, im Namen der „wirtschaftlichen Erholung“ eine weitere „Milliardenflutung“ zur Rettung der Unternehmen und Banken auf den Weg zu bringen.

Bundeskanzlerin Merkel lobt das Paket als „Grundstein“ für den Weg aus der „Corona-Krise“, ein Etikett, hinter dem die Kapitalismus-Krise versteckt werden soll. „Es ist ein ambitioniertes Programm“ mit einer sozialpolitischen Komponente. (!) Mit betrügerischer Heuchelei gaukelt sie vor, dass das Konjunkturpaket eines der sozialen Gerechtigkeit sei, was sich besonders in dem Beschluss zur Absenkung der Mehrwertsteuer zeige. Das sei „sozial gerecht“ ausgestaltet, weil die Mehrwertsteuer von allen gezahlt werde. Doch wird sie darüber hinwegtäuschen können, dass es sich hier nur um eine weitere starke Finanzspritze für die Unternehmer handelt? Niemand glaubt daran, dass diese Absenkung an die Verbrauchermehrheit weitergegeben wird.

Wortradikal preist Vizekanzler und Bundesfinanzminister Scholz (SPD), der schon den Begriff der Billionen-Bazooka geprägt hat, das Konjunkturpaket von 130 Milliarden Euro: „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen”! Wobei er gleich auf Wunsch der CDU auf die Streichung der kommunalen Altschuldenlast verzichtet. (s. auch Artikel auf S. 8 f.)

Konjunkturpaket der „sozialen Gerechtigkeit“?

Mehr als 50 Milliarden gehen in ein Zukunftspaket als direkte Förderung an die Unternehmen, unter anderem über die Subventionierungen von Zukunftstechnologien, der steuerlichen Förderung von Forschung und Modernisierungsinvestitionen. Sowie in die Digitalisierung, d.h. die Wegdigitalisierung von qualifizierten, tariflich und gesetzlich geschützten Arbeitsplätzen. Die Verschuldung für dieses „ambitionierte Programm“ der „sozialen Gerechtigkeit“ wird, daran kann es keinen Zweifel geben, über baldige Sparmaßnahmen auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt werden.

Diese neue Milliardenflutung für Unternehmen und Konzerne wird nicht die zahlreichen Pleiten vor allem auch von kleinen und Mittelbetrieben verhindern, die Massenentlassungen wie bei dem Zulieferer ZF Friedrichshafen oder bei der Lufthansa, und auch nicht die Massenentlassungen, die von VW, Daimler, BMW, oder auch im Maschinenbau schon vor der Corona-Pandemie angekündigt waren. Bei den größten Zulieferern wie Bosch und Continental drohen ebenfalls ein massiver Job-Abbau und Schließungen.

Sie werden auch nicht den vielen Beschäftigten helfen, die von den Unternehmen ins Home Office geschickt wurden (bei VW z.B. 30 % ). Das erlaubt eine weitere Senkung der Kosten der Arbeit. Home Office führt u.a. zur Entgrenzung und Verdichtung der Arbeit/Arbeitszeit; Arbeitsschutzgesetze werden ausgehebelt; durch die Individualisierung der Beschäftigten können die kollegiale Solidarität in der Belegschaft unterminimiert, kollektive gewerkschaftliche Arbeit und Kampf erschwert werden.

Von Entlassungen zuerst und hart getroffen werden Leiharbeiter, oder auch die 6,7 Mio. Minijobber, die keinen Anspruch auf Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld haben; sowie die über 3 Millionen Beschäftigten mit befristeten Verträgen. Dazu kommt die Kündigung vieler Werksverträge.

Ca. 8 Millionen Beschäftigte sind in Kurzarbeit. Sie sollen im Wesentlichen von den zu knappen, aus ihrer eigenen Arbeitslosenkasse entnommenen Gelder „überleben“. Sie werden der Verarmung ausgeliefert, in Hartz IV oder Soziaalhilfe gestürzt

In den letzten Wochen wurde immer lauter aus den Reihen der Union aber auch vom Präsidenten des DIW, Fratzscher, die Forderung erhoben, dass die Erhöhung des Mindestlohns im kommenden Jahr ausgesetzt werden soll. Dazu schweigt das Konjunkturpaket der Großen Koalition der „sozialen Gerechtigkeit“.

In allen Bundesländern sollen nach und nach noch vor dem Sommer die Schulen für den geregelten Normalunterricht  und die Kitas für alle Kinder wieder geöffnet werden. Doch für die Schulen und Kitas ist kein Cent vorgesehen gegen die dramatische Personalnot, für neue und mehr Räume, für die täglich erforderlichen Hygienemaßnahmen und für  die immer noch nicht ausreichenden Schutzmasken für alle Schüler und Lehrer.

Widerstand!

Das sind Forderungen eines Aktionsprogramms, für das sich Schüler engagieren, die den Kampf für die Verteidigung der Schulen aufgenommen haben und zwar in der Perspektive: „Schüler-Eltern-Lehrer  gemeinsam“. (S. Berichte auf den Seiten 10 ff in dieser Ausgabe).

Immer mehr Beschäftigte bundesweit nehmen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen den Kampf auf für die Wiederherstellung der Gesundheitsversorgung, für mehr Personal, Stopp und Rücknahme der Privatisierungen, Schließungen, Tarifflucht und  Ausgliederungen, für TVöD für alle.

Serpil Midyatli, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Schleswig-Holsteinischen Landtag, fordert eine flächendeckende Verkürzung der Arbeitszeit auf eine 30-Stunden-Woche, bei vollem Lohnausgleich. Sie bekräftigt damit einen Beschluss des SPD-Landesverbands, der eine allgemeine Reduzierung der Arbeitszeit bei „vollem Personal- und Lohnausgleich“ fordert. Das entspricht nicht nur den Forderungen in dem Diskussionsbeitrag von gewerkschaftlich und politisch engagierten Kolleginnen(1), sondern zweifellos auch dem Willen der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung.

Die Gewerkschaftsführung integriert sich – wenn auch mit eigenen Floskeln – nicht nur in die Politik der Großen Koalitions-Regierung. Sie schlägt ihr auch die meisten betrügerischen „Gerechtig-keitskorrekturen“ vor. Ihr Handeln gerät zunehmend in Konflikt mit dem Widerstand der Kolleg*innen, die gerade heute die Erfahrung machen, dass sie die Gewerkschaften für die Organisierung ihrer Kampfkraft mehr denn je brauchen.

Carla Boulboulle

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1. Der Beitrag „Krise des kapitalistischen Systems –und Corona-Pandemie. Krise der politischen Herrschaftsordnung“ ist als Sondernummer über die Redaktion zu beziehen.

 

 

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