„Mutlose Verlierer – für die gar nicht ´große` Koalition“

Die schwere politische Niederlage der SPD-Führung auf dem Sonderparteitag belastet die Koalitionsverhandlungen mit Merkel und der Union und ist auch eine Niederlage und enorme Schwächung einer neuen Großen Koalitionsregierung schon vor deren Konstituierung.

Mit einem kräftigen Nein aus der Mitgliederbefragung droht die Katastrophe.

Diese Niederlage traf auch den DGB-Vorsitzenden, der auf dem SPD-Parteitag im Namen der Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften „die volle Unterstützung und kritische Begleitung“ der DGB-Gewerkschaften für den Gang der SPD in die Große Koalition versicherte.

„Mutlose Verlierer – für die gar nicht „große“ Koalition“. Im Leitartikel vom 23. Januar kommentiert das Handelsblatt: „Schulz, Seehofer, Merkel: Sie alle sind die Verlierer der Bundestagswahl und verfügen bei Weitem nicht mehr über eine große Mehrheit, die den Namen Große Koalition rechtfertigen würde. Sie müssen nun einen Pakt schmieden, der ihnen das politische Überleben sichert.“ Die Süddeutsche Zeitung fürchtet, dass die neue Regierung nur ein „fragiles Notbündnis“ werden könne.

Die Juncker und Macron sehen sich zu abermaligen Appellen an die Verantwortung der SPD genötigt, für das Entstehen einer „stabilen Regierung“ zu sorgen, die in der Lage sein soll, die EU vor dem Verfall zu retten.

Nur eine „hauchdünne Mehrheit“ konnte die Parteiführung auf dem Parteitag für den Gang in die Koalitionsverhandlungen verbuchen. „Diese Stille im Saal“, vermerkt die FAZ (22.1.) zur Applausverweigerung bei der Rede von Martin Schulz, „wird nur ganz wenige Male (…) unterbrochen. Das hat es in der jüngeren Geschichte der SPD so noch nicht gegeben“.

„Und doch droht die SPD-Führung, die schon den langjährigen Zerstörungsprozess der Partei zu verantworten hat, diese mit ihrem Drängen in eine erneute GroKo einem selbstmörderischen Abenteuer auszuliefern. Und sehenden Auges treiben die drei Parteiführungen die parlamentarische Demokratie und das traditionelle Parteiensystem in eine zugespitzte Krise und säen die Saat für einen Neuaufschwung der rechtsextremen Bewegung um die AfD“, warnen sozialdemokratische Genossen und Gewerkschafter in einer Erklärung an die Parteitagsdelegierten der SPD.

Der Aufstand der SPD-Basis geht verstärkt weiter.

Der Zustrom der Mitglieder zu den Parteiversammlungen nimmt noch zu, die Parteiführung holt sich in ihrem Bemühen, die Mitglieder für das Ja zur GroKo zu mobilisieren, eine Abfuhr nach der anderen.

Der Aufruf der Jusos zum Eintritt in die SPD unter der Losung „Tritt ein – sag Nein“ und für die „Erneuerung der SPD“, um den Kampf gegen die arbeitnehmer- und jugendfeindliche, die Gewerkschaften schwächende Agenda-Politik zu stärken, hat ein ein breites Echo und positive Aufmerksamkeit gefunden.

In Antwort auf die Rede des DGB-Vorsitzenden auf dem SPD-Parteitag, in der er der SPD-Führung für das „Mehr an Substanz für die Arbeitnehmer im Sondierungsergebnis“ gedankt hat, mehren sich die Stimmen des Protestes von Gewerkschaftern und selbst aus Gewerkschaftsgremien. So wird z.B. vom Landesbezirk Bayern der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) nach einer sehr kritischen Auseinandersetzung mit der Rede „eine offene Debatte zu unserem Selbstverständnis als Gewerkschaftsbewegung“ gefordert.

Eine Initiative von Gewerkschaftern stellt fest, dass „der Kollege Hoffmann als DGB-Vorsitzender für sein Eingreifen für den Gang der SPD in die GroKo keine demokratische Legitimation hat. Er konnte damit nicht im Namen der sechs Millionen Gewerkschaftsmitglieder sprechen und hat von keinem Gremium der Einzelgewerkschaften ein Mandat dafür erhalten.“ Sie verweisen auf die in den Diskussionen mit Gewerkschaftsmitgliedern zu registrierende entschiedene und zum Teil wütende Ablehnung der Politik der Großen Koalition und erst recht von deren Neuauflage.

In ihrem Appell wenden sie sich „an alle Mitglieder der SPD, die sich auf die politische Vertretung der Arbeitnehmerinteressen berufen und sich dem gewerkschaftlichen Kampf der Arbeitnehmer verbunden fühlen.“ Sie erklären ihnen „ihre volle Solidarität und Unterstützung für ihren Kampf für das Nein zur Großen Koalition! Für das Nein zur Fortsetzung der zerstörerischen Agenda-Politik!“

Ein starkes Nein auch in der Mitgliederbefragung würde für diesen Kampf zu einem mächtigen Stützpunkt werden und neue günstige Bedingungen schaffen.

Doch auch die Hindernisse werden hochgeschraubt. Die drei Koalitionäre drängen auf Eile. Die SPD-Führung hat festgelegt, dass für eine Teilnahme an der Mitgliederbefragung bis zum 6. Februar die Mitgliedschaft der Neueingetretenen bestätigt sein muss. Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen soll endgültig für den 8. Februar vorliegen. Zwei Tage später soll die Mitgliederbefragung darüber beginnen, ob das Ergebnis als Regierungsprogramm einer erneuten Regierungskoalition der SPD mit den zwei Unionsparteien unter Kanzlerin Merkel akzeptiert wird.

Die Prozedur der Mitgliederaufnahme wird dazu führen, dass den meisten neueingetretenen Mitgliedern dennoch die Teilnahme an der Abstimmung verwehrt wird:  Der Aufnahmeantrag geht zunächst an die Landes-, bzw. regionalen Vorstände der SPD. Diese informieren die Ortsvereine der SPD, die nach Diskussion über die formelle Aufnahme entscheiden und diese Entscheidung an die Landes- bzw. regionalen Vorstände zurückmelden müssen. Erst dann sind die Neueingetretenen zur Abstimmung berechtigt.

24-Stunden-Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie

Unbeeindruckt von dem Gerangel der Regierungskoalitionäre um erneute „Korrekturen an Fehlern der Agenda“ lassen sich die Metaller in ihrer Kampf- und Streikbereitschaft nicht beirren. Die IG Metall-Führung hat größte Mühe, diese zu zügeln.

Nachdem schon über 900.000 Metaller in den letzten Wochen an kurzzeiteigen Warnstreiks teilgenommen haben, hat jetzt der IG Metall-Vorstand erstmals zu 24-Stunden-Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie aufgerufen. Die Metaller wollen sich nicht erneut mit einem Inflationsausgleich plus abspeisen lassen, sondern fordern für die 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metallindustrie eine kräftige Reallohnerhöhung. Durch zumindest einen Teilausgleich, einen Lohnzuschuss für Arbeitszeitverkürzung für einen Teil der Beschäftigten, wollen sie das Prinzip der Arbeitgeber durchbrechen, dass Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverlust bezahlt werden muss. (s. Artikel S. 9-10)

Zugleich zeichnet sich ein neuer Aufschwung im Kampf gegen die sich immer noch ausweitende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse für die Rückeroberung des Flächentarifvertrags ab.

Carla Boulboullé

 

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