Unter dem Regime der Schuldenbremse

Auf 136 Milliarden ist der Investitionsrückstand der Kommunen angewachsen. Drastische Sparmaßnahmen der dem Verfall preisgegebenen Kommunen gegen alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge und die Verarmung immer größerer Bevölkerungsschichten, von Kindern und Jugendlichen, sind die unausweichliche Folge.

2001 hat die Regierung Schröder den staatlichen sozialen Wohnungsbau faktisch beendet. Um den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bei steigenden Zuwandererzahlen zu decken, müssten bis 2020 jedes Jahr 400.000 neue Einheiten gebaut werden.

Kein Geld für Bildung – gemessen an dem Versprechen der Großen Koalition werden jährlich 23,5 Milliarden € zu wenig in die Bildung investiert. 45.000 Jugendliche verlassen im Jahr die Schule ohne Abschluss, so der DGB. Hoher Unterrichtsausfall ist in vielen Kommunen an der Tagesordnung. Bundesweit beläuft sich nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes der Investitionsrückstand allein beim Schulbau auf 35 Milliarden Euro.

Diese Kaputtsparpolitik wird diktiert von der Schuldenbremse, der sich die Große Koalition, verschrieben hat – und in deren Namen die sozialstaatlichen Errungenschaften demontiert und Lohndumping und Tarifflucht vorangetrieben werden.

 Schuldenbremse — auch Integrationsbremse

Diese Schuldenbremse erweist sich gleichzeitig als Integrationsbremse, denn in ihrem Namen werden alle notwendigen Finanzmittel verweigert, um die materiellen Bedingungen für die Verwirklichung der gleichen politischen und sozialen Rechte für die Flüchtlinge wie für die einheimische Bevölkerung zu gewähren.

Unter der Großen Koalition wird eine Maßnahme nach der anderen zur Asylrechtsverschärfung durchgepeitscht, mit denen den geflüchteten Arbeitnehmern und Jugendlichen ihre politischen Rechte abgesprochen werden.

Dieser Angriff auf die Demokratie wird begleitet von den Angriffen auf die sozialen Rechte.

Das „Integrationsgesetz“ der Großen Koalition erweist sich als ein tatsächliches Integrationsverweigerungsgesetz unter dem Leitmotiv „Zwang, Sanktionen und Prekarisierung“. (Pro Asyl) Die durch jahrelange Kaputtsparpolitik ruinierten Kommunen müssen daran scheitern, die gleichen sozialen und demokratischen Grundrechte für alle Arbeitnehmer und Jugendliche, für die, die als Flüchtlinge hier leben, wie für die Einheimischen, zu gewährleisten.

Der Bezug einer eigenen Wohnung wird für anerkannte Flüchtlinge unmöglich, weil die Sozialwohnungen, für die es staatliche Bezuschussung gibt, gar nicht existieren. Die Mittel für einen Schulabschluss, für eine Ausbildung und berufsqualifizierende Abschlüsse für die geflüchteten Arbeitnehmer und Jugendliche werden verweigert. Die jährlichen Bildungsausgaben für die schulische Integration müssten um 3,5 Milliarden erhöht werden, so eine Studie des IW (Institut der deutschen Wirtschaft).

Nur 40.000 Flüchtlinge haben bisher einen Arbeitsplatz gefunden, meist in geringfügiger, entrechteter Beschäftigung. Das „Integrationsgesetz“ setzt für Flüchtlinge „die niedrigschwellige Heranführung an den deutschen Arbeitsmarkt“ zum Ziel und es wurde damit begonnen, dafür 100.000 Ein-Euro-Jobs (d.h. -,80 ct. Jobs) einzurichten, ein radikales Programm, das die Masse der Flüchtlinge in Billiglohnjobs stößt. Das öffnet das Tor für eine neue Offensive der Tarifflucht und des Lohndumpings, des Unterlaufens der bestehenden tarifvertraglichen und gesetzlich geschützten Arbeitsverhältnisse.

Der gleiche Gabriel, unter dessen Führung die SPD-Bundestagsfraktion jeder Verschlechterung des Asylrechts, d.h. der Verweigerung der politischen Rechte für die Geflüchteten, zugestimmt hat, hat die Verabschiedung des „Integrations-gesetzes“ gesichert, mit dem den Flüchtlingen auch die sozialen Rechte verweigert werden.

Wenn Gabriel, der schamlos genug ist, dennoch zu behaupten, dass es auf Druck der SPD ausreichende Finanzmittel für Sprachkurse, Ausbildung und Arbeitsmarktintegration gebe, und wenn er für die Zeit nach den Wahlen weitere derartige Wohltaten der „sozialen Gerechtigkeit“ verspricht -  so wird wohl kaum noch jemand diesem Mann Glaubwürdigkeit attestieren.

Die arbeitende Bevölkerung und Jugend kann nichts von den Wahlen erwarten

Anlässlich der Landtagswahlen Anfang September sind in Berlin Bäume und Laternen mit Plakaten bepflastert, vor denen sich die Bürger die Augen reiben: „SPD – Berlin bleibt sozial“ oder „Die Linke – Bürgerämter – statt Warteämter“.

Das sind die Wahlversprechungen von den Parteien, unter deren „rot-roter“ Senatskoalition das „Sparen bis es quietscht“ eröffnet wurde, eine Politik, die die SPD in der rot-schwarzen Koalition konsequent weitergeführt hat.

Verkündet werden politische und soziale Versprechungen aller Art für den Fall, dass es eine Mehrheit für eine rot-rot-grüne Senatskoalition geben sollte.  Gleichzeitig haben alle drei Parteien unmissverständlich erklärt, z.B. gegenüber Delegationen der Kollegen aus prekärer Beschäftigung, dass es für sie ein politisches Primat ist, an der Schuldenbremse und der Haushaltskonsolidierung festzuhalten und dass alle sozialen Forderungen und Rechte diesem Vorbehalt zum Opfer fallen müssen.

Die arbeitende Bevölkerung und Jugend kann nichts von den Wahlen in Berlin – und ebenso von den Bundestagswahlen im nächsten Jahr – erwarten, weil sie keine ernstzunehmende politische Vertretung für ihre Interessen und Forderungen erkennen können.

Unter diesen Bedingungen ist es nur zu verständlich, dass sich die Beschäftigten nicht durch die Hochwahlkampfzeit davon abhalten lassen, mit ihren Gewerkschaften den Kampf für ihre Forderungen, gegen Prekarisierung ihrer Arbeitsverhältnisse, Tarifflucht und Lohnsenkungen zu führen und dafür auch erneut zu streiken.

So schließen die Kollegen der aus der Charité ausgegliederten CFM und der Vivantes Service Gesellschaft (VSG), ausgegliederte Tochter aus dem größten Landeskrankenhauskomplex in Berlin, einen gemeinsamen Streik wenige Tage vor der Wahl nicht aus, nachdem an dem Widerstand des Senats der Abschluss von Tarifverträgen gescheitert ist – denn ein „TVöD für alle“ ist für den Senat unvereinbar mit der Respektierung der Schuldenbremse und den Anforderungen der Haushaltskonsolidierung. Dem steht ebenso unvereinbar die Position der Kollegen und ihrer Gewerkschaft ver.di, die nicht auf ihre Forderungen verzichten wollen, entgegen: „Für unsere Forderungen, unsere sozialen und politischen Rechte, muss die Schuldenbremse durchbrochen werden“.

Das zeigt aber auch, dass die Forderungen und Rechte der geflüchteten Arbeitnehmer und Jugendliche nur durch die Integration in den Kampf der gesamten Arbeiterschaft und Jugend vertreten und erfüllt werden können – gegen eine schärfer fortwirkende Agenda Politik und deren Schuldenbremse, die die Entgegensetzung und das gegeneinander Ausspielen fördert.

Carla Boulboullé

 

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