Die „Flexibilität“ der Angela Merkel

Die Worte fehlen angesichts des Entsetzens, das die Bilder tagtäglich im Fernsehen über das Elend und die Not der Kinder, Frauen und Männer auslösen, die vor dem Krieg, vor Hunger und dem sozialem Elend und Chaos aus ihren Ländern fliehen.

Für viele werden Erinnerungen lebendig an die jüdischen Mitbürger, die vor der Ausrottungspolitik der Nazis geflohen sind. Ältere Berliner, die Kleidung, Wasser und Brot zu den Flüchtlingen bringen, sprechen von ihren Erinnerungen an die Grausamkeiten der Flucht beim Zusammenbruch des faschistischen Terrorregimes.

Die Flüchtlinge sind Opfer der weltweiten Kriege, die im Interesse des Finanzkapitals und der Konzerne für Rohstoffe, Öl und um Märkte geführt werden. Sie sind Opfer einer Politik der Großen Koalition, die sich verpflichtet hat, mehr und größere Verantwortung in der weltweiten Ausweitung dieser Kriege zu übernehmen.

 Krieg und soziales Elend

 Zig-Milliarden Euro liefern die EU und Merkel dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko, der mit dem Hinweis, er sei „kein Pazifist“, die Mittel für die Aufrüstung mit modernsten Vernichtungswaffen erhöht. Dieser Krieg hat schon etwa zwei Millionen registrierte Flüchtlinge produziert, bei einer hohen Dunkelziffer; Menschen, die bald Zuflucht auch in Deutschland suchen werden.

Dieselbe Kanzlerin Merkel sagt einer Schülerin aus dem Libanon, die nach mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland jetzt ausgewiesen werden soll, vor laufenden Fernsehkameras: „Nicht alle können bleiben“.

So wird vielen der Flüchtlinge das Recht auf Asyl verweigert. Das trifft über 90 % der Menschen, die aus den sog. „sicheren Herkunftsländern“ des Westbalkans fliehen. Sie sollen so schnell wie möglich hinausgeworfen werden. Sie kommen aus Ländern, in denen sich die Zerstörungen des verbrecherischen Krieges der NATO gegen Jugoslawien, geführt mit aktiver Unterstützung der deutschen Bundesregierung, bis heute auswirken. Wo die Staaten zerfallen, wirtschaftliches und soziales Elend, bittere Armut, organisierte Kriminalität und Korruption herrschen. (s. auch Artikel: „Das Drama der Flüchtlinge“, „Soziale Politik & Demokratie“, Nr. 344)

Seit Wochen und Monaten verweigert die Bundesregierung den kaputtgesparten Kommunen die Finanzierung des notwendigen Personals, der Organisierung der materiellen Grundversorgung für die Flüchtlinge, sowie der zügigen Gewährung ihres Rechts auf Asyl: sie „organisiert“ das Chaos.

Der „Flüchtlingskrise“ will Merkel mit „deutscher Flexibilität“ begegnen –auch als „Standard-Beschleunigungs- oder Standard-Abweichungsgesetz“ bekannt.

„Deutsche Flexibilität“ zur Bewältigung der „Flüchtlingskrise“ heißt für Merkel die Aufhebung von Schutzbestimmungen für die Flüchtlinge. Alles kommt auf den Prüfstand: die Standards bei der Unterbringung, der ärztlichen Betreuung, der Essensversorgung, dem Brandschutz (!) für die Unterkünfte der Flüchtlinge.

Welcher Zynismus treibt Merkel, wenn sie als Vorbild für diese „Flexibilität“ auf ihr „flexibles“ Handeln bei der Bankenkrise“ verweist? Als sie „unkonventionell“ und in kürzester Zeit immer wieder 100e Milliarden Euro zum Schutz und zur Rettung der Banken locker machen konnte.

Trotz der steigenden Kosten für die Flüchtlinge, so der Beschluss der Vertreter der Großen Koalition, muss „die schwarze Null“ (das Null-Haushaltsdefizit) auf jeden Fall „gehalten werden“ – u.a. durch Kürzungen der Haushaltsmittel für öffentliche und soziale Leistungen.

Im Namen dieser „schwarzen Null“ wird den Flüchtlingen das Recht auf Wohnung, auf Bildung und Berufsqualifizierung, auf Schule, Kita und das Recht auf Arbeit verweigert. Ohne diese Grundrechte auf öffentliche Daseinsvorsorge werden sie zu rechtlosen Fürsorgeempfängern degradiert.

 Demokratie und soziale Rechte unter dem Diktat der „schwarzen Null“

 Unter dem Diktat der schwarzen Null/Schuldenbremse werden die Kommunen angesichts der steigenden Kosten für die Flüchtlinge zu weiteren rigiden Sparprogrammen gegen Schulen, Kitas, Krankenhäuser, bei den Sozialwohnungen gezwungen. Den Ländern und Kommunen, die schon erdrosselt werden von dem zunehmenden „Investitionsstau“, will die Bundesregierung ganze 3 Mrd. Euro (plus x…) zur Entlastung anbieten.

Weil die große Koalition Sondermaßnahmen – wie sie diese „flexibel“ für die Rettung der Banken gewährt – für Flüchtlinge ausschließt, müssen die Hartz-IV-Ausgaben für Flüchtlinge aus der Arbeitslosenversicherung aufgebracht werden. Und das soll auf Kosten der Arbeitslosen gehen, die heute schon konfrontiert sind mit „existenzgefährdenden“ Sanktionsmaßnahmen.

Diese Politik, die die soziale Entgegensetzung fördert, findet ihren ungeschminkten Ausdruck bei den „Brandstiftern“ der CSU und CDU, die sich nicht scheuen, über die demagogische Beschwörung eines „massenhaften Asylmissbrauchs“, um sich „Sozialleistungen zu erschleichen“, der Fremdenfeindlichkeit den Nährboden zu bereiten. Und das ist das politische Umfeld, in dem rechtsextreme Banden ihre Brandanschläge organisieren.

Welche Heuchelei, wenn Merkel tönt: „Keine Toleranz gegenüber denen, die nicht bereit sind zu helfen“. Denn es ist ihre Politik, die Politik der Großen Koalition, welche die soziale Entgegensetzung der Flüchtlinge und der Bevölkerungsschichten betreibt, denen die sozialen Rechte durch die fortgesetzte Agenda-Politik geraubt werden; die mit prekären Arbeitsverhältnissen und Billiglohn abgespeist oder zu Altersarmut verurteilt werden.

Oder die durch die Lohndumpingstrategie des Postkonzerns – unter der politischen Vorgabe der Regierung, dem Hauptaktionär – in Billiggesellschaften ausgegründet und aus dem Flächentarifvertrag herausgebrochen werden, um die wettbewerbsfähige Steigerung des Gewinns und der Dividenden-Ausschüttung zu garantieren.

Unter dem Gebot der „leeren Kassen“, durch das den Kommunen von der Bundesregierung eine dramatische Sparpolitik aufgezwungen wird, bleibt kein Platz für die berechtigten Forderungen der ErzieherInnen und der Beschäftigten im Sozialdienst, die mit ihrem Kampf für Höhereingruppierung gegen die Kaputtsparpolitik revoltieren; gegen die jahrelange Auslieferung an den  Niedrigtarifsektor und die unerträglichen Arbeitsbedingungen (wie Personalmangel…). Und die über die Schlichtung mit minimalen Lohnzugeständnissen abgespeist werden sollen.

Einen Ausweg aus der dramatische Situation kann es nur geben im Rahmen des Kampfes der gesamten arbeitenden Bevölkerung und Jugend mit ihren Organisationen gegen die Große Koalition, die Politik des Kaputtsparens, der Deregulierung und des Lohndumping, und der Ausweitung der Prekarisierung – für das Recht für alle auf die öffentliche Daseinsvorsorge, auf Wohnung, auf Bildung und qualifizierende Ausbildung, auf einen tarifvertraglich geschützten Arbeitsplatz.

Carla Boulboullé

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