Die Schande der SPD-Führung die Unterstützung durch DGB-Verantwortliche findet

Zweifellos, das ist ein schwarzer Tag für die deutsche Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung: das im Bundestag am 22. Mai verabschiedete als „Tarifeinheitsge-setz“ (TEG) etikettierte Anti-Streik-Gesetz zur staatlich verordneten Tarifeinheit im Betrieb unterdrückt die vom Grundgesetz garantierten gewerkschaftlichen Grundrechte des Streiks und der Organisations- und Tariffreiheit für die Minderheitsgewerkschaft im „Betrieb“.

Es treibt alle Gewerkschaften, ob DGB-Gewerkschaften, Sparten- oder Berufsgewerkschaften, in einen zerstörerischen Konkurrenzkampf um die Mehrheitsposition im Betrieb, die allein das Recht gewährt, betriebliche Tarifverträge abschließen zu können. Somit werden die Gewerkschaften selbst zu Instrumenten der Zersetzung der einheitlichen Branchen-, Flächen- und Konzerntarifverträge durch abweichende Betriebstarifverträge.

Es lädt dazu ein, die Forderungen und Streiks aller Gewerkschaften verschärft unter den Vorbehalt ihrer Verhältnismäßigkeit gegenüber dem „öffentlichen und allgemeinen Interesse“ zu stellen, das von der Großen Koalition durch die obersten Grundsätze der Schuldenbremse/Spar-politik und der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft definiert wird.

 Ein Knüppel gegen die Streiks

Dieser letzte wegen seiner umfassenden Auswirkung gefährliche Aspekt des TEG wird auch von allen Kritikern verschwiegen. Und doch stand der Vorwurf der „Unverhältnismäßigkeit“ schon im Zentrum der von der Regierung initiierten Hetzkampagne gegen die Streiks der Lokführer und Piloten. Und er wird zur Zeit von Regierungsvertretern und öffentlichen Arbeitgebern im Namen der Schuldenbremse gegen den laufenden Streik der ErzieherInnen und SozialpädagogInnen als Knüppel geschwungen. Während der Postvorstand selbst Verhandlungen über die Forderungen der streikenden Postkollegen verweigert, weil er Tarifflucht und Lohndumping unter Einsatz von Streikbrechern erzwingen will, um die „wettbewerbs-fähige“ Milliarden-Ausschüttung an die Aktionäre (und an deren größten Einzelaktionär Bundesregierung) aus den Beschäftigten herauszupressen.

Das Gesetz zur „Tarifeinheit“ will den im Aufschwung befindlichen Streikaktionen der Arbeiterschaft Fesseln anlegen, soll die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften spalten und schwächen.

Es ist nur zu verständlich, wenn die Vertreter des Kapitals und der Hochfinanz jubeln, wenn die Union und Merkel als Kanzlerin der Großen Koalition tief zufrieden sind – ohne das beide vergessen, kritisierend nach Mehr zu verlangen. Auf völliges Unverständnis hingegen, auf Befremden, bis zu empörter und scharfer Ablehnung, stoßen die SPD in der großen Mehrheit der Arbeiterschaft und ebenfalls jene DGB-Verantwortlichen, die der SPD ihre volle Unterstützung dafür geben, das Gesetz durch das Parlament zu peitschen.

Die SPD-Arbeitsministerin Nahles kann es sich erlauben, stereotyp und schamlos das Gegenteil von dem zu behaupten, was dieses Gesetz  will und wofür es gemacht wird. Es sind der DGB-Vorsitzende Hoffmann und die Vorsitzenden der IG Metall und IG BCE, Wetzel und Vassiliadis, die mit ihrer „gewerkschaftlichen“ Bekräftigung dieser Behauptungen dafür sorgen, dass schließlich alle SPD-Abgeordneten, bis auf drei Enthaltungen und eine Gegenstimme dem Gesetz zustimmen und dass ein klares Nein der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA) gegen das Gesetz verhindert wird.

Diese DGB-Verantwortlichen waren es auch die, gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband der Großen Koalition und der SPD darin, den Auftrag für diese Gesetzesinitiative erteilt haben, und die mit ihrer Unterstützung für das TEG die Spaltung im DGB provozieren.

Im Namen der (Wieder-) Herstellung der „Tarifeinheit im Betrieb“ nehmen sie den schwerwiegenden staatlichen Eingriff in die Tarifautonomie hin und nehmen in Kauf, dass unter der staatlich verordneten Zwangseinheit die Einheit der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften zerschlagen und die Tarifeinheit der für alle Beschäftigten und Betriebe einer Branche verbindlichen Flächentarifverträge weiter zersetzt wird.

 Schritt zur Spaltung des DGB

Ein erstes Zeugnis von ihrem verhängnisvollen Kurs geben die vier Vorsitzenden der IG Metall, IG BCE, IG BAU und EVG, die am 14. April eine Vereinbarung zur Kooperation getroffen haben. Unter der politischen Schirmherrschaft des DGB-Vorsitzenden Hoffmann haben die vier einen Block gebildet, der sich für den Konkurrenzkampf gegen die vier anderen DGB-Gewerkschaften und alle anderen Gewerkschaften auf das TEG stützen will. Es ist der Konkurrenzkampf um die Position als Mehrheitsgewerkschaft in einzelnen Betrieben bestehender Konzerne und Unternehmen und besonders in durch Ausgliederungen neu entstehenden Betrieben und ganzen Dienstleistungssektoren, wie der Logistik. Das ist, unter Anwendung des TEG, der Schritt zur faktischen Spaltung des DGB.

Aber, die Arbeiterschaft, die Millionen Gewerkschaftsmitglieder und zehntausenden Gewerkschaftskader und politischen Arbeiterkämpfer haben auch in dieser Frage noch nicht ihr letztes Wort gesprochen.

Angesichts der kämpferischen Entschlossenheit ihrer Mitglieder und Gremien zur Verteidigung der gewerkschaftlichen Grundrechte und des Streikrechts haben die drei Gewerkschaftsführungen von ver.di, GEW und NGG Ende letzten Jahres zu einer Unterschriftensammlung gegen das TEG aufgerufen. Die offiziell 85.000 erreichten Unterschriften zeugen von der Verstärkung dieser Entschlossenheit im Kampf gegen die bremsenden Hindernisse durch die Führung auch ihrer eigenen drei Organisationen, wie gegen die Kampagne und den erpresserischen Druck vor allem der IG Metall-Führung gegen die Unterschriftensammlung insgesamt und gegen deren erfolgreiches Vordringen bei den Metallern. In zahlreichen Delegiertenversammlungen konnte die IG Metall-Führung nur mit knapper Mehrheit ein Nein gegen das TEG verhindern.

Ebenso wenig verhindert werden konnten die Unterzeichnung des Gewerkschaftsaufrufs durch zahlreiche SPD-Mitglieder und –verantwortliche, sowie Erklärungen für das Nein zum TEG von lokalen SPD-Gremien, vor allem der AfA.

Die Große Koalition hat dieses Gesetz als Waffe geschmiedet gegen den Aufschwung der Kämpfe, für die die Arbeitnehmer verstärkt nach ihren Gewerkschaften greifen, Kämpfe gegen die verschärfte Fortsetzung der Kaputtsparpolitik und die endlose Deregulierung und Prekarisierung ihrer Arbeitsverhältnisse.

Es gibt keinen Spielraum für eine Koexistenz dieser Kämpfe mit dem TEG. Auch nicht in der Form, das TEG zu akzeptieren, um sich auf den Kampf gegen die schon angekündigten weiteren Angriffe auf das Streikrecht zu konzentrieren. Denn diese Angriffe haben im TEG ihre Voraussetzung.

In diesen Kämpfen werden vielmehr im Zusammenprall mit der Politik der Großen Koalition und dem TEG die Bedingung heranreifen für die Entstehung der Kraft, die in der Lage ist, die Regierung zum Zurückweichen und zur Rücknahme des Gesetzes zu zwingen.

Carla Boulboullé

 

 

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