Die „Schwarze Null“

Feierlaune erfasste beide Regierungsparteien der Großen Koalition nach der Zustimmung der Mehrheit von CDU und SPD im haushaltspolitischen Ausschuss des Bundestages am 14. 11. zum Etat 2015. „Die Koalition schreibt haushaltspolitische Geschichte“, so die haushaltspolitischen Sprecher von Union und SPD, Norbert Barthle und Johannes Kahrs. Und Bundeskanzlerin Merkel (CDU): „Das ist nicht mehr und nicht weniger als die Einlösung eines Versprechens an kommende Generationen.“

Doch was ist der Preis für die „Schwarze Null“ im Bundeshaushalt, die hier so enthusiastisch beschworen wird?

Sie wurde erzielt durch den plündernden Griff in die Sozialkassen.

Ebenso kürzte Schäuble – immer die „Schwarze Null“ im Blick – erneut den Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds in diesem Jahr um 3,5 Mrd. und im nächsten Jahr noch einmal um 2,5 Mrd. Euro – und treibt den Fonds in ein Milliarden-Defizit.

Für den „ausgeglichenen Bundeshaushalt“ bedient sich Schäuble bei den Reserven der Rentenversicherung: zwischen 2013 und 2016 kürzt er den allgemeinen Bundeszuschuss um 4,75 Mrd. Euro.

-          Dokument der Schande

Und der DGB verurteilt die sich jährlich wiederholenden Einschnitte in die Arbeitslosenversicherung.

Um diese „Schwarze Null“ zu erzielen, wurde unter dem Diktat der Schuldenbremse seit Jahren eine Sparpolitik verordnet, deren „Erfolg“ eine Spur beispielloser Verwüstung hinterlassen hat:

- u.a. den Verfall der staatlichen Infrastruktur:

- Im BereichBildung kostet es 45 Milliarden Euro, den „Investitionsstau“ aufzulösen.

- Allein für die Schulen fehlen heute schon deutschlandweit 22 Milliarden Euro.

- An den öffentlichen Krankenhäusern beträgt der „Investitionsstau“ 50 Mrd. Euro. 162 000 Beschäftigte fehlen bundesweit in den Kliniken!

- 500 000 Rentner waren Ende 2013 auf die staatliche Grundsicherung angewiesen. Knapp eine Million Menschen über 65 sind gezwungen, sich in Minijobs zu verdingen.

- Die Kommunen sind mehrheitlich ruiniert. 704 Mrd. Euro beträgt der kommunale Investitionsbedarf in den Jahren 2006 – 2020.

Nicht angetastet werden dagegen die Steuergeschenke für Spitzenverdiener, Großkapital und Großvermögen, durch die die öffentlichen Haushalte seit 2000 jährlich über 50 Mrd. Euro Verlust verbuchen. (ver.di)

Dass das durch die Ruinierung der öffentlichen Haushalte, der sozialen Sicherungssysteme und der öffentlichen Daseinsvorsorge jetzt endlich erreichte Ziel des „0-Defizits“ von der CDU, der Börse, den Banken und Spekulanten und den Konzernen gefeiert wird, wird niemanden überraschen. Doch wenn ein solches Dokument der Schande von dem SPD-Wirtschaftsminister und Parteivorsitzenden Gabriel als unveränderlich gegen die Kritik aus den eigenen Reihen verteidigt wird: „Ihr kapiert es einfach nicht“, dann drückt sich darin erneut eine Verhöhnung nicht nur der eigenen Parteibasis, sondern der gesamten arbeitenden Bevölkerung und Jugend.

In den Kommunen nehmen bei den Beschäftigten, den kommunalen und politischen Mandatsträgern Widerstandsaktionen gegen die Kaputtsparpolitik zu, wächst der Druck und Widerstand in den Krankenhäusern, sowie bei den Beschäftigten und Jugendlichen an Schulen und Universitäten.

Doch es sind die Lokführer und anderes Zugpersonal, die mit ihrem Streik heute mit ihrer Gewerkschaft in vorderster Front im Kampf gegen die von der Großen Koalition fortgesetzte ruinöse Privatisierungs- und Sparpolitik stehen – mit ihren Forderungen nach Reallohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung und Überstundenabbau, d.h. für mehr Personal.

Trotz der von der Regierung, dem Kapital und den von ihnen beherrschten Medien organisierten Hetzkampagne wird dieser Streik von der Zustimmung und der Hoffnung breitester Schichten der Arbeiterschaft getragen, die sich heute mit ihren Forderungen auf ihre Tarifkämpfe vorbereiten. Und während andere wie bei dem Textildiscounter Kik, die – wie die Kollegen von Amazon – mit ihrer Gewerkschaft ver.di zum Streik antreten, um sich gegen Lohn- und Sozialdumping zu wehren und den gewerkschaftlich garantierten Flächentarifvertrag des Einzelhandels zu erobern.

Das ist der Grund, warum die Vertreter der Großen Koalition, Merkel und Gabriel, in dieser Erhebung die unmittelbare Bedrohung für ihre Politik der Schuldenbremse und der Senkung der Arbeitskosten erfahren. Und sie gehen zum Angriff über.

Gabriel wirft der Gewerkschaft der Lokführer vor, mit dem Streik bei der Bahn vor allem egoistische Eigeninteressen zu verfolgen. „Was derzeit passiert, ist ein Missbrauch des Streikrechts”, so Gabriel in der „Bild“-Zeitung

Und Merkel wird ganz deutlich: sie will der GDL – im Namen einer „Gesamtverantwortung“ und der „Zukunft der Wirtschaft“ – die Existenzgrundlage entziehen. Und dafür muss das Tarifeinheitsgesetz her.

Der von der SPD-Arbeitsministerin Nahles präsentierte Gesetzentwurf stellt Regierung/Staat und Justiz einen Freibrief aus, im Namen der „Unverhältnismäßigkeit“ und „des öffentlichen Interesses“ einen Streik zu verbieten.

Direkt gegen die Berufsgewerkschaften wie die GDL und Cockpit gerichtet, bedroht das Gesetz das Grundrecht aller ArbeitnehmerInnen und ihrer Gewerkschaften auf Streik. (1)
Mit dem Tarifeinheitsgesetz will sich die Große Koalition ein Instrument schaffen, um die sich unweigerlich vermehrenden Kämpfe der Arbeiterschaft für ihre Forderungen zu brechen: Weil sie die Schuldenbremse und die „Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft“ gefährden.

Sie erhalten die Unterstützung der DGB-Spitze um den Vorsitzenden Hoffmann, die ohne jede Legitimation und gegen das Mandat von Millionen Mitgliedern handelt und sich zum Komplizen der Großen Koalitionsregierung und der Arbeitgeber für diesen staatlichen Eingriff in grundlegende Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte und das Streikrecht macht.

Das massive Nein vor allem von ver.di, aber auch aus der SPD und von der SPD-Basis, zeugt von der Entschlossenheit der Mehrheit der KollegInnen und GenossInnen, das uneingeschränkte Recht auf Streik für ihre Forderungen zu verteidigen, die unvereinbar sind mit der Politik des Kaputtsparens und der Lohnkostensenkung, die sich mit der Verstetigung der „Schwarzen Null“ und unter dem Druck der Krise noch verschärfen wird.

(1)   In dem Referentenentwurf zum Tarifeinheitsgesetz heißt es: „Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wird (…) beeinträchtigt, (wenn man den) im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens nicht mehr gerecht“ wird. (S.1, A) Und weiter: „den Koalitionen kommt die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zu, innerhalb ihres Bereichs das Arbeitsleben sinnvoll zu ordnen und zu befrieden“. Die Tarifpartner müssen „insbesondere in Krisenzeiten den gesamtwirtschaftlichen Belangen und somit dem öffentlichen Interesse“ entsprechend „Gesamtkompromisse“ finden. (S. 6/7, A 1.)

 

Carla Boulboullé

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